Sonntag, 15. Juli 2012

Nix passiert...und ich begegne immer wieder netten Menschen

Der Morgen ist jung - halb 10 in Deutschland, wie es so schön heisst - und ich bin auf dem Weg zur Arbeit. Reichlich Verkehr und am Herrmannplatz ist ordentlich was los. Die Ampel springt auf "Grün", ich fahre langsam los und muss auch gleich wieder anhalten, weil sich ganz vorn jemand falsch eingeordnet hat. Da gibt es einen dumpfen Knall und wer schon einmal gehört hat, wie sich zwei Autos berühren, wird wissen, wovon ich rede. Es schüttelt mich heftig und ich weiss, jemand ist mir hinten drauf gefahren. 

Großartig! Klasse! Das hätte wirklich nicht sein müssen - in 10 Minuten sollte ich an meinem Schreibtisch sitzen und jetzt das.

Das ist jetzt schon das zweite Mal innerhalb des letzten halben Jahres, bitte nicht schon wieder so ein Ding! Tief Luft geholt und ausgestiegen, erst mal sehen, was eigentlich passiert ist. Hinter mir steht ein bejahrter Polo, aus dem nun ein junger Mann aussteigt. Er ist offenbar mehr erschrocken als ich und beginnt sofort, auf mich einzureden: "Es tut mir so leid - bitte keine Polizei - es ist nichts passiert - es tut mir wirklich leid - ich bin doch noch in der Probezeit." So geht es minutenlang, der steht komplett unter Schock. Ich beuge mich zur Stoßstange hinunter und sehe - nichts. Ein winzig kleiner schwarzer Fleck auf dem roten Lack, das ist alles. Nachdem wir mit beiden Autos um die Ecke und an die Seite gefahren sind, legt sich mein Unfalllgegner ohne Umstände unter mein Auto, um dann auch festzustellen, dass kein Schaden ersichtlich sei. Wiederholt bittet er darum, alles ohne Polizei und ohne Versicherung zu regeln, damit er nicht mit der Prämie hochgestuft wird und seinen Führerschein behalten kann.

Ich zögere, willige dann aber ein und notiere mir seine Daten, Personalausweisnummer, Versicherung, Kennzeichen und natürlich Adresse und Telefonnummer. "Aber ich werde auf jeden Fall in die Werkstatt fahren, um das prüfen zu lassen. Ich rufe sie dann an." Er stimmt zu und steigt unter mehrfachem "Es tut mir so leid." wieder in sein Auto und ich fahre ebenfalls weiter zur Arbeit.

Der nächste Morgen sieht mich in der Werkstatt beim Meister unseres Vertrauens. Mein Rasender Rudolf kommt auf die Hebebühne, der Meister fragt ungläubig: "Ist Dir wirklich jemand hintendrauf gefahren?" Es ist auch dem Fachmann nicht möglich, einen Schaden zu erkennen, nichts, gar nichts. Lediglich  der kleine schwarze Fleck auf der Stoßstange zeugt von einer "Fremdberührung". Mit einem weichen Lappen und einer Politur wird auch der entfernt und alles ist gut. Ich bin sehr erleichtert. Es wäre für mich mit keinerlei Kosten verbunden gewesen, entweder die Versicherung des Unfallgegners oder er selber hätten bezahlt. Aber es wäre unbequem gewesen, Reparatur, einen  Tag lang kein Auto, dann der ganze Papierkram - so ist es mir bedeutend lieber.

Ich rufe den jungen Mann an: "Ich wollte Ihnen nur sagen, dass Sie wieder ruhig schlafen können, am Auto ist absolut nichts."

"Vielen, vielen Dank und entschuldigen Sie nochmals - bitte sagen Sie mir doch Ihre Adresse oder die Adresse von Ihrer Arbeit, ich möchte mich gern erkenntlich zeigen!" Ich nenne ihm Namen und Adresse meines Arbeitgebers und gebe ihm auch die Uhrzeiten an, zu denen ich dort zu erreichen bin. 

Eine Woche später steht der junge Mann strahlend in der Tür, in der Hand einen Blumenstrauß und eine riesige Packung Schokolade. "Endlich habe ich Sie gefunden, ich hatte die Hausnummer vergessen aber bitte hier, das ist für Sie. Ich bin sehr dankbar, dass Sie so ehrlich waren und mir wirklikch auch gesagt haben, dass es keinen Schaden gegeben hat. Wissen Sie, ich habe gerade meinen Sohn bekommern, und jetzt muss ich mir um den Unfall keinen Kopf mehr machen." Wir plaudern noch eine Weile und verabschieden uns dann.

Das Bild spricht für sich, die Welt ist voller freundlicher Menschen...