Freitag, 5. Juli 2013

Hier arbeiten Fachkräfte

So hatte ich es zumindest gehofft aber man soll eben nicht zu optimistisch sein. Aber, geneigter Leser, alles der Reihe nach.
 
Ich besitze eine Perlenkette, die in regelmäßigen Abständen gereinigt und neu aufgezogen werden muss, da der Faden schon manchmal mürbe zu werden droht. Letzteres geschah auch vor einigen Wochen und ich halte beim Abnehmen der Kette plötzlich einen Teil des Verschlusses in der Hand - direkt an der Öse gerissen. Also packe ich alles in ein weiches Tuch und bringe es in Juweliergeschäft. Der Mitarbeiter - später stellt sich heraus, dass er der Chef ist - schaut die Kette und das danebenliegende Verschlussteil an und fragt: "Was soll damit gemacht werden?" ??????????? Sieht man das nicht? Als Fachmann? Nur ganz wenig verunsichert sage ich: "Neu aufziehen und reinigen bitte. Und den Verschluss wieder anbringen." "Einzeln geknotet?" "Ja bitte."
 
Ich bekomme meinen Abholzettel und gehe. Nach ca. 10 Tagen will ich die Kette wieder abholen. Der Chef ist da, nimmt meinen Zettel entgegen und breitet die gereinigte und neu aufgezogene Kette auf einem schwarzen Samtbrett aus. Ja, jetzt schimmern sie wieder. Er hilft mir, die Kette anzulegen und ich marschiere fröhlich mit meinen reparierten und frisch polierten Perlen aus dem Laden.
 
Abends beim Abnehmen entdecke ich, dass an der vormals gerissenen Stelle der Knoten mit Klebstoff gehärtet wurde. Ich finde das recht merkwürdig, das hatte vorher noch nie jemand mit der Kette gemacht. Die Stelle ist steif und unflexibel, ich streiche mit Fingerkuppe darüber, sie bewegt sich nicht so, wie man es von einem Endstück einer Kette erwartet. Vielleicht wird es mit häufigem Gebrauch weicher.
 
Nach 4- oder 5maligem Tragen nehme ich abends die Perlen ab und - halte wieder dasselbe Teil des Verschlusses in der Hand, wieder abgebrochen. Das Stück mit dem Klebstoff ist nicht weicher sondern porös geworden. Und welch ein Glück, dass es  nicht tagsüber irgendwo in der Stadt oder im Gedränge in der S-Bahn passiert ist! Ich hätte es vielleicht nicht gemerkt und sie sicher verloren.
 
Also, was tut ein mündiger Kunde? Richtig, ich laufe also mitsamt Kette und  Rechnung (das war im Übrigen ein saftiger Preis) wieder beim Juwelier auf. Ein wenig betreten mustert er den Schaden und sichert mir zu, innerhalb einer Woche sei alles wieder hergestellt. Ich weise darauf hin, dass es wohl deswegen gerissen sei, weil der Klebstoff so hart sei. Kein Kommentar. Nun gut. ich denk, es war wohl eine einmalige Sache und erwarte eigentlich eine fachgemäße Nachbesserung.
 
Vor vier Tagen, nachdem ich eine SMS mit der Nachricht, meine Kette sei zum Abholen bereit, bin ich wieder zur Stelle. Eine sehr junge Frau breitet sie auf dem schwarzen Samt aus. Nach den ersten Erfahrungen will ich nun aber genauer hinsehen, nehme die Perlen in die Hand und untersuche den Verschluss. Und siehe da, es ist beinahe noch schlimmer als vorher. Auf der einen Seite finde ich einen Knoten so groß wie ein bunter Stecknadelknopf. Auf der anderen ist es etwas kleiner, dafür aber wieder mit Klebstoff gehärtet. So will ich das nicht und es entspannt sich folgender Dialog:

"So möchte ich die Kette nicht wieder mitnehmen, der Knoten hier ist wieder mit Klebstoff versehen und das war der Grund, weswegen der Verschluss gebrochen ist."

"Das machen wir absichtlich so, damit es stabiler ist." Das haben wir ja bereits gesehen...

"Ich werde die Kette so nicht nehmen und möchte jetzt Ihren Geschäftsführer sprechen."

Auftritt Geschäftsführer mit sehr ernstem Gesicht.

Ich: "Bitte sehen Sie sich das an, hier ist wieder Klebstoff."

Er: "Das ist ein Zweikomponentenkleber, damit härten wir den Knoten."

"Ja, und genau deswegen ist er an derselben Stelle ja gebrochen."

"Nein, das stimmt nicht, Sie hatten ja das andere Teil. Nehmen Sie die Kette doch erst einmal so mit."

"Erstens war es genau dieselbe Stelle und zweitens nehme ich die Kette nicht. Was ist, wenn es wieder bricht und ich es nicht merke und sie dann verliere? Ersetzen Sie mir dann den Verlust?"

Leicht spöttisches Grinsen des Geschäftsführers: "Sie können die Kette ruhig mitnehmen, damit passiert nichts."

"Es ist aber doch schon einmal passiert. Ich möchte, dass das ohne Klebstoff gemacht wird." Inzwischen hat eine weitere Kundin das Geschäft betreten und hört und schaut interessiert zu.

Nun muss ich einfügen, dass es in meinem Leben auch schon Zeiten gegeben hat, in denen ich mich einer solchen Diskussion niemals ausgesetzt hätte. Schon gar nicht vor Publikum. Spätestens nach der zweiten Zusicherung, dass sei alles ok, hätte ich mit einem "Hoffen wir das beste" oder einem ähnlichen Spruch die Kette an mich genommen und hätte alles weitere einem gütigen Schicksal überlassen.
 
Zurück zum Geschäftsführer, der jetzt ziemlich ungehalten ist: "Sie nehmen die Kette jetzt so mit!" Er nimmt die Kette in die Hand: "Das ist völlig in Ordnung so."

"Nein, ich nehme die Kette nicht, das Risiko, dass ich sie verliere, ist mir zu groß."

Inzwischen hat er mit der Kette und dem Verschluss herumgespielt und um mir zu beweisen, dass alles völlig stabil ist, biegt er  den Verschluss an eben diesem neuralgischen Punkt ein paar Mal hin und her.

Nach dem dritten Mal bricht der Verschluss durch.

Er verliert die Fassung und ich kann mir ein triumphierendes "Na bitte!" nicht verkneifen. Er ist jetzt kurz vorm Platzen und fragt nur noch: "Haben Sie die Rechnung dabei?" "Nein." "Wie viel haben Sie bezahlt?" "------ Euro."

Er wirft die Kette auf das Samtbrett, greift in die Kasse und knallt den genannten Betrag vor mir auf den Tresen. Wortlos. "Ich möchte jetzt bitte noch eine Tüte, damit ich die Kette transportieren kann." Ein kleines Plastiktütchen segelt durch die Luft. Ich bedanke mich höflich und verlasse mit meiner Perlenkette den Laden. Hab ich gut gemacht. Schade nur, dass die Kette immer noch/schon wieder kaputt ist und ich sie immer noch nicht wieder tragen kann. Ob ich "entgangene Lebensfreude" geltend machen kann? Für Schadenersatz??

Nun ist sie bei einem renommierten und namhaften Juwelier in hoffentlich besseren Händen zu einem weitaus geringeren Preis. Unnötig zu sagen, dass der Mitarbeiter dort ziemlich erstaunt war, dass jemand an Perlen mit Klebstoff arbeitet. In ein paar Tagen kann ich sie wieder abholen.