Samstag, 1. September 2012

Ausgetrickst

Wie war das noch? In meinem letzten Post schrieb ich von lauter netten Menschen, die die Welt bevölkern? Ich wusste und weiß zwar, dass auch nicht so nette Menschen gibt aber dass ich auf so unverfrorene und gemeine Art daran erinnert wurde, hat mich wirklich verstört.

Das ist es in weiß...
Aber der Reihe nach: der geneigte Leser wird sich vielleicht entsinnen, dass ich Anfang des Jahres die "Geburt" eines schnellen Internets zeitgleich mit einem neuen Handy beschrieb, die nicht ganz ohne Hindernisse vonstatten ging. Dieses Handy, ein HTC Sensation XE, das ich sehr liebgewonnen hatte, das ich mit vielen Daten, Musik und Fotos gefüttert hatte, das eine Menge Apps hatte, von denen ich glaubte, sie erleichtern mir das Leben :-) - dieses Handy ist nicht mehr meins. Gestern wurde ich Opfer eines ausgefeilten und bösartigen Trickdiebstahls. Man hat mir mein Handy einfach geklaut.

Das heißt, einfach war es wohl nicht; entweder ist der Coup gut vorbereitet gewesen oder die Typen sind so routiniert, dass sie in jeder Situation eine Handlungsweise parat haben.

Und so ist es passiert: ich arbeite stundenweise in einem kleineren Glaserbetrieb in Berlin-Neukölln und erledige dort den Verwaltungs- und Schreibkram. Ich habe ein Büro, dass an einen Showroom angrenzt, der auch der Eingangsbereich des Ladens und der Werkstatt ist. Man muss durch diesen Showroom, um in mein Büro zu kommen. Die Eingangstür ist zwar ge- aber nicht verschlossen - das soll auch so sein, es sollen ja Kunden hereinkommen. Mein Fenster ist riesig und das Büro kann von außen eingesehen werden. Und auf meinen Schreibtisch liegen meistens außer jeder Menge Papier und einem großen PC drei Telefone, Festnetz und mein Handy.

Kunden klopfen manchmal an das Fenster oder kommen gleich zur Tür, die zu Bürozeiten von außen einfach aufgedrückt werden kann. Und dass ein Kunde vor der Tür stand, glaubte ich auch gestern gegen mittag. 

Ein junger Mann, ca 25 Jahre alt, nicht unattraktiv, dunkle Haare, dunklere Haut, ein nettes Lächeln betritt den Laden: "Kann ich eine Glasscheibe kaufen?" Der Akzent ist arabisch oder so, viele Menschen, die hier in der Nachbarschaft wohnen, kommen entweder aus dem Libanon, der Türkei, Syrien, Iran oder Irak. Sein Deutsch ist recht gut und ich bejahe die Frage und erkundige mich nach den genauen Maßen, der Dicke und der Art des Glases. Nachdem er erst auf eines der ausgestellten Fenster gezeigt hat und ich ihn frage, ob es denn so ein doppelt verglastes Fenster sein soll, verneint er und sagt etwas von ganz einfach. Ich bitte ihn ins Büro und zeige ihm dort einige Muster. Auf der gegenüberliegenden Seite meines Schreibtisches stehen drei Stühle, das Büro ist explizit auch für Kundenverkehr gedacht. Ich greife nach den Mustern, er zeigt auf eine Scheibe und bittet mich, auszurechnen, was sie denn in der von ihm gewünschten Größe kostet. All das ist völlig normal und geschieht einige Male am Tag. Ich nenne ihm den Preis und er fragt mich, wann er das Glas bekommen könne. " In ein oder zwei Tagen, wir schneiden es für Sie zu. Wie können es jetzt bestellen, wenn Sie wollen." "Ja bitte, und wann bezahle ich?" "Im Voraus, also jetzt, bei Bestellung." 

Der Preis liegt unter 100,00 €, ich habe mir bereits die Maße notiert und frage nach seinem Namen, Adresse und Telefonnummer. Da wird er ein bisschen hektisch, seine Bewegungen werden fahrig und er hält mir plötzlich einen 500,00 €-Schein unter die Nase. "Also den kann ich nicht wechseln." "Dann behalten Sie ihn bitte als Sicherheit." Wie bitte? Das läuft etwas ziemlich schief und mein erster Gedanke ist "der Schein ist falsch". Ich lehne ab und will ihm sagen, dass er dann wohl noch einmal wiederkommen müsse. (Nach allem, was dann passierte: BITTE NICHT!!!)

Während wir so hin und her reden - das Ganze hat jetzt ungefähr 5 -7 Minuten gedauert - betritt ein zweiter Mann den Laden und schaut sich im Showroom um. Ich schaue zu ihm hin, er grüßt und steht vor einem der ausgestellten Fenstertypen. So nebenbei registriere ich: Mitte 30, dunkler Typ, vielleicht ein Türke, rotes T-Shirt, dunkle Hose. Jetzt sagt mein "Kunde", er wolle dann jetzt gehen und den Schein wechseln lassen und in einer halben Stunde wiederkommen. Das ist mir nur recht, und frage ihn aber noch mal nach seinem Namen. "Hoffmann", also das ist schon sehr merkwürdig, dieses Aussehen und der Akzent und dann so ein Urberliner Name? Aber ich denke nicht weiter darüber nach, der andere Kunde wartet ja. Er fragt nach dem Preis für das Fenster, das er die ganze Zeit angeschaut hat, ich nenne ihn, er sagt danke und geht. Auch das ist nicht so ungewöhnlich, manchmal haben Menschen Preisvorstellungen, die mit den Gegebenheiten nicht übereinstimmen.

Ich setze mich wieder an den Schreibtisch und fahre mit meiner Arbeit fort, schreibe Korrespondenz, Angebote etc.  Ungefähr eine halbe Stunde später denke ich, dass der Typ wahrscheinlich doch nicht wiederkommt und vermute, sein Auftritt war ein Versuch, einen falschen Geldschein loszuwerden. Kurz darauf will ich etwas in meinem Handy nachschauen, greife dorthin, wo es immer liegt und greife ins Leere. Ungläubig starre ich auf die leere Stelle, wo vor einer Stunde noch mein Handy gelegen hat. Ich schnappe nach Luft, mein Körper ist wie aus Stein - mein Gehirn weigert sich, das, was ich sehe oder besser nicht sehe, zur Kenntnis zu nehmen. Mir wird abwechslend heiß und kalt und nach einigen Sekunden ist mir klar: diese SCHW... haben mich ausgetrickst! Der erste hat mich in das Gespräch verwickelt, der zweite hatte nur die Aufgabe, mich zu beschäftigen, damit der erste mit meinem Handy unbehelligt abhauen konnte. Oder, was mir als Alternative noch weniger behagt, mich außer Gefecht zu setzen, falls ich zu früh bemerke, was passiert ist. So eine Gemeinheit! So eine bodenlose Frechheit! So eine Schweinerei!

Ich bin stinkwütend und lasse erstmal einen lauten empörten Schrei los, egal, ob jemand mir zuhört oder nicht. Dann rufe ich mit zitternden Fingern meinen Liebsten an, der mir rät, sofort die SIM-Karte sperren zu lassen. Natürlich! In meinem augemblicklichen Zustand hab ich an das nächstliegende nicht gedacht. Vor allem überlege ich, ob ich irgendwelche Zugangsdaten gespeichert hatte (nein, hatte ich nicht) und dass glücklicherweise mein Terminkalender auch noch in meinem PC vorhanden ist, ebenso wie meine Kontakte. 

Ich lasse also meine SIM-Karte sperren und erstatte online Anzeige bei der Polizei. Der Typ wird sicher nicht gefunden werden, mein Handy auch nicht, da bin ich mir sicher. Ich bin aber immer noch unheimlich wütend auf diese Kerle, die mich so übertölpelt haben. Der Verlust des Handys ist ärgerlich, es war wirklich ein schönes Teil und ich fand es toll. Viel schlimmer ist diese Grenzverletzung, darüber bin ich außer mir  - was erlauben die sich? Wie können die nur? Dann beginnen meine Gedanken Karrussell zu fahren, Zweifel, Selbstvorwürfe, wieso musste ich das Ding da auch liegen haben? Und hätte ich es verhindern können? Wenn ja, wie? Warum hab ich das bloß nicht gemerkt? Das war so genau abgestimmt mit dem zweiten Mann, das ist beinahe schon elegant. Und wieso ist der so zielgerichtet auf mein Handy losgegangen, wusste er, dass es einen Diebstahl lohnte, haben die mich vielleicht vorher schon beobachtet? Der Gedanke ist höchst unerfreulich und es muss schnellstens eine Jalousie vor das Bürofenster. Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist...

Vermutlich habe ich bei allem sogar noch Glück gehabt. Hätte ich den Diebstahl bemerkt oder gar mein Handy zurückgefordert, hätte ich mit Gewalttätigkeiten rechnen müssen? Immerhin waren die zu zweit... Oder es hätte mich jemand just in dem Augenblick angerufen, in dem er es einsteckt? Was auch immer, es ist "nur" ein Handy und ein gewaltiger Schreck und eine riesige Wut auf die Mistkerle, die es gewagt haben, sich an meinem Eigentum zu vergreifen. Mögen ihre Taten fürderhin von Misserfolg geprägt sein! Pech sollen sie haben für immer und ewig!

Mittlerweile habe ich mein altes Handy wieder aktiviert, ich habe glücklicherweise zwei SIM-Karten und kann schon wieder angerufen werden und telefonieren und so weiter. 

Zum guten Schluss ein Appell an den geneigten Leser: passt einfach genau auf, lasst Euch nicht aus der Ruhe bringen, lasst Euch nicht in die Hektik hineinziehen und wenn es doch einmal passiert, achtet darauf, dass Ihr hoffentlich unbeschadet an Leib und Leben aus der Sache herauskommt!