Montag, 3. März 2014

Bielefeld, 8°, Sonne...

...und ich stehe auf dem Bahnhof und warte auf den Zug nach Berlin. Der kommt - ausnahmsweise pünktlich - ich steige ein und mache mich auf die Suche nach meinem reservierten Platz. Den finde ich auch, nur sitzt drauf eine Dame, neben ihr ein Mann (stellt sich als ihr Begleiter heraus). Beide haben die Augen geschlossen, ein guter Trick, wenn man vom rechtmäßigen Platznehmer nicht angesprochen werden will. Fall ich aber nicht drauf rein.
 
Es entspinnt sich folgender Dialog:
 
"Entschuldigen Sie bitte?"
 
Vorsichtiges Öffnen der Augen, hilfesuchende Blicke der Dame zum Mann. "Dieser Platz (ich deute auf die Dame) ist von mir reserviert."
 
Mann: "Ja und?"
 
"Würden Sie mich da bitte sitzen lassen?"
 
"Nein."
 
"Bitte ich habe diesen Platz reserviert."
 
"Ist gar nicht wahr."
 
"Hier steht aber doch Bielefeld-Berlin."
 
"Ja und, da wollen wir auch hin."
 
"Ich habe eine Reservierung für diesen Platz und ich möchte mich da jetzt hinsetzen. Vielleicht suchen Sie sich einen anderen Platz."
 
"Machen Sie das doch!" Der Mann sitzt mit vorgeschobenem Kinn und verschränkten Armen am Fenster und macht sich ganz steif, als fürchte er, man wolle ihn davontragen. "Hier ist nichts reserviert."
 
"Also bitte, hier oben an der Leiste steht die Reservierung. Bitte stehen Sie auf und lassen Sie mich dort sitzen." Mittlerweile herrscht im Abteil aufmerksame Stille, der Zug ist auch schon längst angefahren. Ich frage: "Möchten Sie vielleicht, dass wir die Situation hier vom Zugbegleiter klären lassen?"
 
"Ja." Während ich noch überlege, wie lange das jetzt dauern soll und ob sich das Theater lohnt - andererseits finde ich, dass ich solche Frechheit nicht hinnehmen muss, kommt von hinter mir eine kräftige männliche Stimme: "Was soll das denn, Mensch, nun stehen Sie endlich auf!" Zustimmendes Gemurmel von allen Seiten. Ich bekomme tatsächlich Unterstützung!
 
Die Dame hat sich ohnehin schon immer mal wieder halb erhoben und hat sich bei jeder Antwort ihres Begleiters wieder hingesetzt. Nun merkt er wohl, dass seine Felle ihm davonschwimmen und knallt nachdrücklich seinen Papierkaffeebecher auf das Tablett, um ihn damit einzuklemmen. Ein letzter Protest, nein, meinen Dreck lass ich jetzt erst recht hier liegen! Dann erhebt er sich brummelnd und grantelnd: "Unverschämtheit! Hier ist nirgendwo eine Reservierung, die zeigen Sie mir mal!" Ich kann mir ein "Wer lesen kann, ist klar im Vorteil, der kluge Mann baut vor, nächstes Mal reservieren Sie selber"  und ähnliche provozierende Sprüche nur unter allergrößter Anstrengung verkneifen und setze mich. Nun hab ich sogar 2 Plätze, der neben mir bleibt die ganze Fahrt über frei.
 
Ein bisschen schadenfroh sehe ich, dass die beiden nur noch zwei Plätze in hintereinander liegenden Reihen bekommen. Und natürlich hätte ich mich woanders hinsetzen können, ein Platz ist leichter gefunden als zwei. Hätt ich wahrscheinlich auch gemacht, er hätte mich nur darum bitten müssen.