Montag, 16. Juni 2014

Senk ju for trewelling

Deutsche Bahn, die Zweite - und an dieser Stelle will ich mal eine Lanze brechen für die so oft geschmähten Zugbegleiter und Schaffner der Deutschen Bahn.

Ich bin also wieder mal auf dem Weg nach Bielefeld. Und zu dem im weiteren Verlauf zu Schildernden gibt es eine kleine Vorgeschichte. Wie gewohnt, habe ich meine Bahnfahrkarte online gekauft und mit Kreditkarte bezahlt. Und zwar schon ein paar Wochen vorher, um einen günstigen Preis zu bekommen. Alles gut, ich habe mein Handyticket auf meinem Smartphone und denke erst einmal nicht weiter daran.

Ungefähr eineinhalb Wochen vor meinem Reisetermin jedoch trudelt eine Mail in meinen Account, die mir mitteilt, dass jemand auf meine Karte eine Anfrage gestellt hat für einen Betrag von 0,01 €. Meine Kartenabrechung ist so eingestellt, dass jede Transaktion mit einer Nachricht per Mail an mich geschickt wird. Zum Glück. Ich schaue mir diese Mail also mal genauer an und stelle fest, das kommt aus Italien aus Mailand. Ich war vor 12 Jahren das letzte Mal in Mailand, ich war allerdings vor ein paar Wochen in Venedig (Siehe Blog) Und dort habe ich ab und an meine Kreditkarte benutzt - in Geschäften und in Restaurants. Auch am letzten Abend und genau da nahm der Kellner meine Karte und entschwand damit, bei allen anderen Gelegenheiten hatte ich sie immer im Blick. Mittlerweile haben ja auch die meisten die netten kleinen transportablen Kästchen. Und ich, die ich einerseits oft übervorsichtig bin, bin andererseits manchmal ziemlich unbedacht.

Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob es da passiert ist, jedenfalls bin ich ob dieser Anfrage recht beunruhigt und rufe sofort die Servicenummer meiner Kartengesellschaft an. Dort teilt man mir mit, dass es bereits zwei Anfragen gegeben hat, jedesmal mit dem Minimalbetrag, im Abstand von 2 Stunden. Die Dame erläutert mir, dass es sich dabei offensichtlich um eine Probeanfrage handele, um festzustellen, ob die Karte offen sei. Und es könne sehr wohl sein, dass in zwei Stunden, drei Tagen oder 4 Wochen durchaus ein höherer Betrag abgebucht werde. Ich lasse die Karte also sperren, grübele noch eine Zeitlang darüber nach, wie dusselig man sein kann und versuche mich zu erinnern, ob ich nicht vielleicht doch in einer anderen Institution nicht aufgepasst habe. Das ist ja aber müßig und so warte ich denn einfach nur noch auf meine neue Karte.

Die kommt auch. Und ich rufe mein Konto bei der DB auf und gebe die neuen Zahlungsdaten ein. Schließlich brauche ich die Karte als Identifikation für meine Fahrkarte. Und will mich beruhigt zurücklehnen als mir einfällt, noch zur Sicherheit mein Handyticket zu kontrollieren, ob dort die neuen Daten gespeichert sind. Sind sie nicht. Es ist bereits der Vorabend von meiner Fahrt und ich werde jetzt etwas nervös.

Ich rufe die Servicenummer bei der Bahn an: "Herzlich Willkommen bei der Deutschen Bahn. Ihre Wartezeit beträgt - 9 Minuten." Na bitte, so kann ich wenigstens in Ruhe andere Dinge erledigen. Nach genau 8 1/2 Minuten meldet sich denn auch eine Mitarbeiterin, der ich meinen Fall schildere. Und die gibt mir den Rat, am besten das gekaufte Ticket zu stornieren - kostet 15,00 € - und neu zu buchen - kostet fast das doppelte des vorher bezahlten Preises. Das will ich nun ganz bestimmt nicht und frage sie, ob es nicht noch einen anderen Weg gebe. Den gibt es. Ich solle bei der Fahrkartenkontrolle dem Mitarbeiter die Situation erklären, der werde dann vor Ort, also im Zug, einen Zuschlag kassieren. Sodann solle ich bei der Reklamationsstelle diesen Betrag mir durch eine sogenannte "Niederschlagung" erstatten lassen. Immer mit der Prämisse, ich könne nachweisen, dass ich die rechtmäßige Inhaberin der vorherigen und der jetzigen Karte sei und könne ebenso belegen, dass die erste Karte habe gesperrt werden müssen. Oh nee! Das kann ja heiter werden.

Außerdem hat man ja in den letzten Monaten mehrfach von hartherzigen Zugbegleitern und Schaffnern gehört, die Kinder nachts auf offener Strecke, Mütter mit Kindern, die ohne gültigen Fahrausweis angetroffen wurden, ausgesetzt haben sollen.

Jedenfalls sitze ich am folgenden Tag im ICE und harre der Dinge bzw. des Kontrolleurs, der da kommen soll. Tut er auch. Ich halte ihm mein Handy hin und sage mein Sprüchlein. Karte gesperrt, jetzt nur noch neue Karte, neue Kartennummer nicht auf Fahrschein. Er guckt: "Na dann ziehen wir die Karte mal durch, kann ja nicht schaden." Zieht die neue Karte durch, das funktioniert natürlich nicht. Ich bin jetzt langsam doch unsicher: "Was machen wir denn jetzt?" Er gibt mir die Karte zurück und tippt ein bisschen auf seinem Scanner herum: "Dann machen wir jetzt hier mal eine Identifikation ohne Karte." Ich: "Brauchen Sie jetzt meinen Personalausweis?" Er lächelt:  "Den haben Sie mir doch gerade gezeigt."

Das sitzt. Ich atme erleichtert auf und bedanke mich und er sagt noch, ich müsse mir wegen der Rückfahrt keine Gedanken machen. Und tatsächlich, der Kontrolleur auf der Rückfahrt scannt meine Fahrkarte, wirft einen Blick darauf und sagt: "Das ist jetzt also die Rückfahrt." Und das war's.

An dieser Stelle meinen herzlichen Dank an die liebenswerten und flexiblen Jungs und Mädels, die in den Zügen unterwegs sind. Ihr habt's nicht immer leicht aber manchmal macht Ihr es den Fahrgästen leichter als erwartet.

Sonntag, 11. Mai 2014

Venedig kann sehr kalt sein


Diese Erkenntnis von Patricia Highsmith haben wir in diesem Jahr nicht bestätigt gefunden. Unsere zweite Hochzeitsreise hatte nämlich durchgehend traumhaftes Wetter, abgesehen von ein paar Schauern, die aber unsere Gemütslage in keine Weise beeinträchtigt haben. Mein Liebster hatte mir diesen 5-tägigen Trip zum Hochzeitstag geschenkt und für mich ging ein langgehegter Wunsch in Erfüllung. Es war mein dritter Aufenthalt in der für mich schönsten Stadt der Welt, endlich genug Zeit, um ein bisschen mehr zu sehen als nur den Markusplatz.

Das haben wir denn auch weidlich ausgenutzt, man glaubt ja gar nicht, wie viel und lange man in Venedig laufen kann. Natürlich waren auch die Vaporetti unsere Transportmittel der Wahl, sie fahren wirklich überall hin und man kann sich praktisch nicht "verfahren". Venedig ist ja für Berliner Verhältnisse gewohnte Menschen relativ klein und man kommt sogar zu Fuß schon in einem Tag ganz gut quer durch. Und wenn man merkt, man fährt in die falsche Richtung, dann bleibt man entweder sitzen und wartet, bis das Boot auf der nächsten Runde wieder da anlegt, wo man hin will oder man steigt aus und nimmt das nächste in die entgegengesetzte Richtung. Wir hatten vorher im Internet für jeden ein 7-Tage-Ticket gekauft und das lohnt sich in jedem Falle.  Eine Fahrt mit den "Dampferchen", wie die deutsche Übersetzung lautet, kostet nämlich 7 € und für 50 €  hin-  und herfahren zu können, ist erleichternd für Ortsunkundige.

Hier ist eine Anlegestelle, Pontons, die am Kai befestigt sind und an denen das Vaporetto anlegt. Und da hinten rechts fährt eins Richtung San Marco. Übrigens sind die Dinge fast immer rappelvoll und es kann schon mal passieren, dass man nicht mitkommt. macht aber nichts, die Menschen sind das offenbar gewohnt und warten geduldig auf das nächste.
 
Wir haben übrigens nicht in einem der unglaublich schönen und unglaublich teuren Hotels am Markuslatz gewohnt, wie zum Beispiel dem "Danieli" oder "Bauer"  sondern hatten eine schnuckelige kleine Ferienwohnung auf Giudecca. (http://www.welt.de/reise/article3407626/Venedig-Fahren-Sie-doch-lieber-nach-Giudecca.html ) Das ist eine der Venedig vorgelagerten Inseln, eine davon ist zum Beispiel das Lido. Giudecca ist recht groß, auch von Kanälen durchzogen und sehr pittoresk. Die Insel ist wohl im Kommen und bietet noch ziemlich günstigen Wohnraum. Wir haben sehr gute und nicht überteuerte Restaurants gefunden, allerdings auch einen Ableger vom Hotel Bauer und ein riesiges Hilton Hotel. Vermutlich wird auch hier aus dem einstigen Geheimtipp irgendwann ein Opfer der Gentrifizierung. Allerdings haben wir immer wieder Menschen beobachten können, die sich auf der Straße grüßen, stehenbleiben und den letzten Klatsch durchhecheln, und alles in allem eine entspannte und fröhliche Atmosphäre erlebt. Es war wunderbar ruhig, kein Wunder, keine Autos, höchstens mal ein Bötchen vor der Terrasse. Und wenn man das Haus, in dem unsere Wohnung lag, von außen anschaut...
 
Links unten ist unsere Terrasse, direkt überm Wasser
...dann glaubt man erst mal nicht, dass man dort noch wohnen kann, übrigens ganz komfortabel. Das Schlafzimmer ging allerdings zur Straße raus,
 


dafür war der Blick von der Terrasse einfach herrlich:
 
 
 
Mülltrennung




 
Natürlich führte uns der Weg zunächst denn doch zum Markusplatz mit gefühlten Millionen von Menschen. Diese lästigen Touristen! Wenigstens sieht man sie hier nicht. 
 

 
Von dort aus ist es ein Katzensprung zu den Peggy Guggenheim Collections, http://www.venediglive.de/peggy-guggenheim-museum/ die nicht nur für uns ein Anziehungspunkt waren. Ungefähr 35 Schulklassen wollten den Samstag nutzen, um Bildung und Kultur zu tanken. Und da die Italiener Kinder lieben, durften die lieben Kleinen durch die Gemäldegalerie mit all den wunderschönen Magrittes, Picassos, Ernsts, Brancusis und was dort noch so hängt und steht ungehindert und lautstark toben. Es gibt dort sogar eine eigens für Kinder gebaute Kreativgalerie. Kunstgenuss der etwas anderen Art. Sehr große Aufmerksamkeit erregte auch Peggy Guggenheims Grabstätte, wo auch ihre zahlreichen Hunde bestattet wurden.
 
Und das sind sie, ihre Babies
Weiter ging der Fußmarsch am Canal Grande entlang, um die Ecke zur Accademia mit einer Ausstellung von Kostümen zur Oper "Ein Maskenball" mit Zeichnungen und Bühnenbildminiaturen. Eine der wenigen Ausstellungen bei denen der Eintritt frei ist. In Kirchen, Museen und natürlich dem Palazzo Ducale, dem Dogenpalast, zahlt der Kulturwillige ein halbes Vermögen. Aber es lohnt sich, zumindest, was den Dogenpalast angeht.
 
Auch da hatten wir Glück, wie wir überhaupt während unseren ganzen Venedigaufenthaltes immer gerade zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren. Das Universum hat es gut mit uns gemeint. 
 
Ja, also der Dogenpalast - auch so ein Traum von mir, EINMAL in den Dogenpalast - und ich wurde nicht enttäuscht. Welch eine Pracht, Reichtum, Verschwendung und Demonstration von Macht und häufig auch Willkür. http://www.stadtfuehrungen-venedig.de/dogenpalast.htm
 
Kein Wunder, dass, wer auch immer zu den Zeiten der Serenissima dort hineinmusste oder wollte, als gemeiner Bürger vollkommen eingeschüchtert war. Ich bin fast durch alle 9 Säle mit ausgerenktem Genick gelaufen, die Deckenmalereien und Wandgemälde sind von so großer Leuchtkraft und ich konnte mich kaum sattsehen an all den Tintorettos, Tiepolos und den anderen Größen ihrer Zeit. Zu meinem großen Bedauern hat man mich nicht fotografieren lassen  - all die anderen aber auch nicht. Nicht einmal heimlich wäre es möglich gewesen, die Wärter sind allgegenwärtig. Wenn man dann mal durch alle im übrigen riesige, mehrere hundert qm großen Säle durch ist und im Allerheiligsten vor dem prachtvollen Thron des Dogen gestanden hat - mit ein wenig Fantasie kann man sich vorstellen, wie sie da gesessen haben in ihrer Macht und Pracht - dann geht es über die berühmte
 
Das ist die goldene Treppe, der Eingang

Und hier das Gefängnis von außen
Seufzerbrücke direkt in Gefängnis. Man fragt sich unwillkürlich, ob irgendeiner derer, die hier nach dem Schuldspruch abgeführt wurden, jemals den umgekehrten Weg gehen durfte. Der Gegensatz ist im Sinne des Wortes schrecklich. Düsternis, kaum Tageslicht, nur der rohe Boden. An den Wänden sind eingeritzte Namen und Jahreszahlen zu erkennen. Und die dunkle Energie macht beklommen, ich wollte nur schnell wieder hinaus. Allerdings darf man auch dort nur den vorgeschriebenen Wegen und Gängen folgen, so dass es eine ganze Weile gedauert hat, bis wir endlich wieder im Tageslicht waren. Und ich war dann auch sehr erleichtert.
 
Wir haben ja auch zwischendurch gegessen und zwar gar köstliche Speisen. Natürlich ganz viel Fisch, was sonst kann man in Venedig essen. Schwarzer Tintenfisch, gegrillter Thunfisch, Brassen, Leber venezianischer Art - mein Liebster hat sich an Pasta gütlich getan, ich wurde schwach und hatte eine Schokotorte, die mich vor Entzücken fast vom Stuhl gehoben hat. Und der Wein! Bestell einfach den Hauswein und der ist richtig gut. Auch selber kochen ging ganz gut. In der unmittelbaren Nachbarschaft gab es einen Fischhändler, der morgens um 7 öffnete und um 10, wenn alles ausverkauft war, wieder seinen Laden dichtmachte. Kleine Gemüse- und Obsthändler mit ganz frischen Waren boten alles, was wir brauchten. Es gab sogar Obst und Gemüse auf  Booten, die in den kleinen Kanälen anlegten und bei Bedarf weiter fuhren.
 
Das schönste an Venedig ist immer noch die Architektur, alles ist fotogen, man kann eigentlich immer nur draufhalten und es ist eine Augenweide. Wohin man blickt, es tut dem Auge gut. Hier noch ein paar Impressionen.
 
Canal Grande


Gegenüber den Guggenheim Collections auch am Canal Grande

Insel San Giorgio


Blick von Giudecca auf San Marco



Hotel Danieli
Jaaa, das Hotel Danieli hatte es uns auch angetan und kurz entschlossen sind wir in die Lobby marschiert und haben uns dort einen Cappuccino und ein Miniminitörtchen Sachertorte gegönnt. Trotz der exorbitanten Preise habe ich mich so gefühlt:
 
 
Was darf nicht fehlen, wenn man Venedig besucht? Richtig, Murano! Ich fand es eher enttäuschend, billiger aber hässlicher Kitsch, zuweilen Anreißer wie in einem Basar. Aber auch hinreißende, elegante, wunderschöne Kreationen, die allerdings auch ihren Preis haben. Auf der Insel findet man zahlreiche gläserne Skulpturen, die bei Sonnenlicht ganz besonders intensiv leuchten.
 
 
 

 
 
 
 
Und dann entdeckten wir ein etwas anderes Venedig, ohne Touristen, mit kleinen Geschäften, Restaurants. Die Giardini publicci, die öffentlichen Gärten, nahezu menschenleer. Sie liegen im Castello
 
Die öffentlichen Gärten




Auch das ist Venedig
Das Castello, eine offenbar gutbürgerliche Wohngegend, wohltuend ruhig und natürlich auch mit einem Campo, diesesmal der Campo Garibaldi. Das Wetter ist wieder mal sonnig mit Wölkchen, etwas Wind, genau richtig. Wir haben ein Cafe gefunden, dass zusammen mit einem Blumenladen in einem alten Gewächshaus Platz gefunden hat.

Francesco Garibaldi











Schwimmender Obststand
 
Die Zeit verging leider viel zu schnell, und an unserem letzten Abend gab es noch einmal ein leckeres Essen in einem der schnuckeligen Restaurants auf "unserer" kleinen Insel und einen Absacker in der Bar des Hilton Hotels. Und beim Bezahlen lud uns der Kellner ein, in den 8. Stock zu fahren und den Blick von dort oben zu genießen. Es gibt eine Bar mit einer großen Terrasse, von der aus wir eine herrliche Aussicht hatten. Und das war wirklich ein würdiger Abschied von Giudecca und Venedig.
 
 
 
Links Venedig, rechts Giudecca




Arrivederci, Venezia!

 



Montag, 3. März 2014

Bielefeld, 8°, Sonne...

...und ich stehe auf dem Bahnhof und warte auf den Zug nach Berlin. Der kommt - ausnahmsweise pünktlich - ich steige ein und mache mich auf die Suche nach meinem reservierten Platz. Den finde ich auch, nur sitzt drauf eine Dame, neben ihr ein Mann (stellt sich als ihr Begleiter heraus). Beide haben die Augen geschlossen, ein guter Trick, wenn man vom rechtmäßigen Platznehmer nicht angesprochen werden will. Fall ich aber nicht drauf rein.
 
Es entspinnt sich folgender Dialog:
 
"Entschuldigen Sie bitte?"
 
Vorsichtiges Öffnen der Augen, hilfesuchende Blicke der Dame zum Mann. "Dieser Platz (ich deute auf die Dame) ist von mir reserviert."
 
Mann: "Ja und?"
 
"Würden Sie mich da bitte sitzen lassen?"
 
"Nein."
 
"Bitte ich habe diesen Platz reserviert."
 
"Ist gar nicht wahr."
 
"Hier steht aber doch Bielefeld-Berlin."
 
"Ja und, da wollen wir auch hin."
 
"Ich habe eine Reservierung für diesen Platz und ich möchte mich da jetzt hinsetzen. Vielleicht suchen Sie sich einen anderen Platz."
 
"Machen Sie das doch!" Der Mann sitzt mit vorgeschobenem Kinn und verschränkten Armen am Fenster und macht sich ganz steif, als fürchte er, man wolle ihn davontragen. "Hier ist nichts reserviert."
 
"Also bitte, hier oben an der Leiste steht die Reservierung. Bitte stehen Sie auf und lassen Sie mich dort sitzen." Mittlerweile herrscht im Abteil aufmerksame Stille, der Zug ist auch schon längst angefahren. Ich frage: "Möchten Sie vielleicht, dass wir die Situation hier vom Zugbegleiter klären lassen?"
 
"Ja." Während ich noch überlege, wie lange das jetzt dauern soll und ob sich das Theater lohnt - andererseits finde ich, dass ich solche Frechheit nicht hinnehmen muss, kommt von hinter mir eine kräftige männliche Stimme: "Was soll das denn, Mensch, nun stehen Sie endlich auf!" Zustimmendes Gemurmel von allen Seiten. Ich bekomme tatsächlich Unterstützung!
 
Die Dame hat sich ohnehin schon immer mal wieder halb erhoben und hat sich bei jeder Antwort ihres Begleiters wieder hingesetzt. Nun merkt er wohl, dass seine Felle ihm davonschwimmen und knallt nachdrücklich seinen Papierkaffeebecher auf das Tablett, um ihn damit einzuklemmen. Ein letzter Protest, nein, meinen Dreck lass ich jetzt erst recht hier liegen! Dann erhebt er sich brummelnd und grantelnd: "Unverschämtheit! Hier ist nirgendwo eine Reservierung, die zeigen Sie mir mal!" Ich kann mir ein "Wer lesen kann, ist klar im Vorteil, der kluge Mann baut vor, nächstes Mal reservieren Sie selber"  und ähnliche provozierende Sprüche nur unter allergrößter Anstrengung verkneifen und setze mich. Nun hab ich sogar 2 Plätze, der neben mir bleibt die ganze Fahrt über frei.
 
Ein bisschen schadenfroh sehe ich, dass die beiden nur noch zwei Plätze in hintereinander liegenden Reihen bekommen. Und natürlich hätte ich mich woanders hinsetzen können, ein Platz ist leichter gefunden als zwei. Hätt ich wahrscheinlich auch gemacht, er hätte mich nur darum bitten müssen.