Samstag, 11. Mai 2013

Schweden, die II.

 
Meine Freundin Lisa hat Geburtstag. Sie lebt mit ihrem Mann seit einigen Jahren in Schweden und Besuche hin und her sind selten. Dieses Jahr haben wir nun also beschlossen, uns in den hohen Norden aufzumachen. Und zwar per Flugzeug. Nachdem wir vor anderthalb Jahren mit dem Auto unterwegs waren, ist uns denn doch die gemeinsame Zeit zu kurz und mit Flugzeug und Zug sind wir nur 6 Stunden unterwegs anstatt 2 Tage.
 
 
Der Flug verläuft relativ ereignislos, der Flughafen Arlanda nördlich von Stockholm ist hell, freundlich, übersichtlich und gut organisiert (und er ist offen...!) 
Wir finden sofort den Zugang zum Bahnsteig für die Anschlusszüge. Elektronische Sperren, die mit dem Internetticket (hab ich ja alles schon vorher gebucht) geöffnet werden. Die Züge sind bequem, leise und leer!!! Daran kann ich mich schnell gewöhnen, es gibt hier einfach weniger Menschen als in Deutschland, die einen QM bevölkern. Nichts ist überlaufen, nichts ist voll - außer Stockholm, aber davon wird später die Rede sein.

Am Bahnhof Söederhamn  holt Lisa uns ab und es ist, wie es immer ist, wenn wir uns sehen - auch nach langer Zeit - wir fangen an zu reden, als hätten wir uns gestern getrennt. Wir werden denn auch erst wieder aufhören, wenn ich in den Zug zurück steige...

Zuhause begrüßen uns Ralf und Donna, die seit neuestem zur Familie gehört. Donna ist ein mittlerweile 7 Monate alter English Springer Spaniel, sehr schön, sehr verspielt und sehr zugänglich.
Und wenn sie einen so anschaut, kann ihr niemand widerstehen
Sie liebt Menschen. Uns auch. Missy und Berta, die beiden Katzen, halten sich im Hintergrund.

Der Nachmittag und Abend vergeht mit Essen, Reden, Lachen, gelegentlichem Gassi gehen (oder Donnas Erzeugnisse wegwischen, wenn sie sich nicht bemerkbar gemacht hat) und planen, was wir denn in den nächsten Tagen unternehmen wollen. Es steht ein Ausflug in ein Naturschutzgebiet an, zwei Stunden gemäßigtes Wandern mit anschließendem Picknick. O-Ton Lisa: "Alle Schweden picknicken immer!" Na bitte, wir auch. Ich hege ein wenig Bedenken,  wegen der Temperaturen. Hier ist es schon bzw. noch erheblich kälter als zu Hause, wo bereits der Frühling ausgebrochen ist. Es liegen noch Schneereste herum, einige einen guten Meter hoch. Aber wir haben warme Sachen mitgebracht.

Am nächsten Morgen also alle ins Auto, einschließlich Donna, die ihren Platz vorbildlich auf der abgetrennten und gesicherten Ladefläche des Kombis hat. Und los. Karte ist ausgedruckt, in Lisas Smartphone das Navi aktiviert, Ralf die letzten Anweisungen gegeben. Wir fahren. Und fahren. Schließlich sind wir in Schweden, hier ist nichts gleich um die Ecke. Oder andersrum: gleich um die Ecke ist viel weiter als wir denken. Dann verfahren wir uns ein bisschen - trotz Navi und Karte. Es geht durch den Wald, bergauf, ziemlich huckelig. Vor einer gefrorenen Schneewehe müssen wir erst mal stehenbleiben und mit dem Klappspaten uns die Weiterfahrt erkämpfen.

Während Ralf schaufelt,
 Nützt aber alles  nichts, wir sind bald in einer Sackgasse. Zwar an einem wunderschönen See aber nicht da, wo Lisa mit uns hin will. Und zum Baden ist es doch ein bisschen zu frisch.






gucken wir zu...







Also umgekehrt und  noch mal von vorne. Nachdem wir dann den Weg gefunden haben, hält uns nichts mehr. Nicht einmal ein Schaufelbagger - mitten im Wald - der die Wegränder glättet. Wir schlängeln uns  zweimal an ihm vorbei (Eingeweihte wissen, wovon ich rede!) und stehen vor der Abzweigung, die die letzte Etappe vor der großen Wanderung darstellt. Von einer ca. 50 cm hohen gefrorenen Schneewehe versperrt.

Lisa steigt aus und hüpft auf der Schneewehe herum - "Da kommen wir durch!" - Ralf gibt Gas und setzt rückwärts auf die Schneewehe zu. Und auf sie hinauf und sitzt fest. Das Auto ist schön aufgebockt, die Räder greifen nicht mehr und wir können nicht vor und nicht zurück. Wir kriegen erst mal alle einen Lachanfall, dann überlegen wir, wie wir da am besten wieder runterkommen. Jetzt gilt es: Klappspaten aktivieren, Schnee unter dem Auto wegschaufeln. Zwischendurch versucht Ralf, von der Wehe herunterzukommen, nichts geht. Wir schieben kräftig, bewegen aber auch nichts. Die Kiste sitzt fest. So, was nun? Wir haben zahlreiche Ideen, keine ist wirklich gut. Motor laufen lassen, bis der Schnee durch die Wärme schmilzt. Könnte helfen aber dann haben wir keinen Sprit mehr, um weiter zu fahren... Der Schaufelbaggermann könnte uns ziehen. Aber wir sind schon zweimal sehr hinderlich an ihm vorbei und könnte sein, er wäre not amused, wenn wir nun mit sowas kommen. Das schieben wir ganz hinten an als allerletzte Möglichkeit.  Jetzt wird der Wagen erst mal mit dem Wagenheber vorne angehoben, damit wir Matten oder Reisig unterschieben können. Vielleicht greifen die Räder dann und wir kommen los.


Noch nichts zum Reinspringen
Da wollen wir rauf

Nichts zu machen, wir schieben und ruckeln und es rührt sich nichts.

Schließlich hat Lisa die rettende Idee: "Ich rufe Lotta und Kjell an. Die holen uns hier raus." Nach einer kurzen  Erklärung und Wegbeschreibung haben die beiden sich  auf den Weg gemacht. Lotta und Kjell sind gute Freunde von Lisa und Ralf, beide im Vorruhestand und glücklicherweise zu Hause und bereit und in der Lage, uns zu helfen. Das kann jetzt aber dauern, man denke an die Entfernungen, mit mindestens einer Stunde müssen wir rechnen.

Mittlerweile ist es auch fast Mittag vorbei und wir bekommen Hunger. Also machen wir aus der not eine Tugend und halten unser Picknick im Auto. Kaffee aus der Thermoskanne, Eier, Käse und alles, was das Herz und der Magen begehrt. Irgendwie ist es ja auch ganz lustig, so gestrandet zu sein. Mit der Wanderung wird es wohl allerdings nichts mehr werden. Wir sind etwas angestrengt, manche ist etwas verfroren und wir beschließen, dass, sollten wir jemals hier wieder runterkommen, wir nach Hause fahren und uns die Füße wärmen.
 
Irgendwann fährt ein Opel die Straße an uns vorbei, die gleiche blaue Farbe wie unser Gefährt. Wir winken, er fährt aber weiter (war sicher kein Schwede, der hätte gehalten...) Wir überlegen, warum er nicht angehalten hat, als meinem Liebsten plötzlich in den Sinn kommt, was passieren könne, wenn er nun an dem Schaufelbagger, der wahrscheinlich immer noch ein paar km weiter arbeitet, vorbei möchte und der Schaufelbaggermann nur die Farbe realisiert und denkt, wir wären es ein drittes Mal... der arme Opelfahrer.
 
Schließlich kommen Lotta und Kjell, großes Hallo, das Seil wird angebracht und Kjell setzt sich in sein Auto und - es passiert nichts außer dass seine Reifen durchdrehen.

und können nicht.
Lotta hat ein paar Kommentare abgegeben - ich
spreche kein Schwedisch, mir scheint aber, sie hätte gesagt, es sei wohl keine so gute Idee, in eine gefrorene Schneewehe zu fahren. Oder in dieser Jahreszeit wandern zu wollen. Hm, das wissen wir jetzt auch...

Im dritten Versuch gelingt es schließlich, "die Kuh vom Eis" zu bekommen. Unter vielem Gelächter, erleichtertem Schulterklopfen, Dankesagen machen wir uns - zwar nicht gewandert aber gesättigt - auf den Heimweg.



Das war der erste Tag. Für den zweiten hatte Lisa einen Besuch in einem Tierpark geplant. Es gelingt mir, sie davon zu überzeugen, dass es doch stressfreier ist, den einen Ralf zum Arbeiten am Bootssteg gehen zu lassen, den anderen Ralph alleine durch Söderhamn streifen zu lassen und uns beiden einen Besuch in der VÄXBO Leinenweberei zu gönnen.
 
Und weil es sowieso einen neuen Tag gibt, gibt es auch einen neuen Post, bis demnächst!