Donnerstag, 2. Dezember 2010

Weiche Seelen

Seit einigen Jahren gebe ich an Schulen als Honorarkraft Seminare für Auszubildende: Knigge, Körpersprache, Verkaufstrainings und einiges mehr. Das macht  mir große Freude, ich bin immer beglückt, wenn ich feststellen kann, dass ich die Jugendlichen erreiche. Und das ist manchmal gar nicht so einfach. Meistens sind es 17-24-jährige Jungen und Mädchen oder junge Erwachsene und ich muss ganz schön darauf achten, dass ich meinen Stoff interessant und lebendig präsentiere und immer auch einen Bezug zu der Ausbildung und dem Umfeld der Teilnehmer herstelle. Die sind mit ihrer Kritik keinesfalls zurückhaltend und sagen sehr deutlich, wenn ihnen etwas nicht gefällt oder lassen mich sehr schnell spüren, wenn sie sich langweilen. Ich hab mich also ganz gut darein gefunden und finde den richtigen Ton.

In der letzten Novemberwoche allerdings erlebe ich etwas vollkommen Neues. Ich darf im Rahmen eines Projektes mit drei Gruppen von Förder- und Rehaschülern arbeiten und habe als Themenvorgabe. "Lernen lernen". Diese Jugendlichen absolvieren ein sogenanntes berufsvorbereitendes Jahr, um mit einem Abschluss eine Ausbildung beginnen zu können. Sie kommen manchmal von Förderschulen und haben keinen Schulabschluss, einige kommen aus Schulverweigererprogrammen. Alle haben sehr unterschiedliche soziale Strukturen und die meisten von Ihnen haben es nicht gelernt, zu lernen und sich konzentrieren. Das ist eine große Herausforderung für mich und ich habe nach Durchforstung meiner Konzepte und und Skripte beschlossen, mich zuerst mal auf Ziele, Umgangsformen und Körpersprache zu konzentrieren.

Der "Unterricht" ist an drei Tagen mit jeweils einer Gruppe geplant.  Und schon der erste Tag verlangt mir alles ab, was ich an Flexibilität und Geistesgegenwart zu bieten habe. Ich stehe vor einer Gruppe von 16 Jugendlichen, die ziemlich lebendig sind. Manche sind zappelig, manche reden dauernd miteinander, wieder andere nehmen "Kontakt" mit ihrem Nebenmann auf, indem mal eben geboxt wird - mit einem Wort, es geht richtig rund. Dennoch schaffe ich es, ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. Wir reden darüber, ob und wozu man Ziele im Leben braucht, warum man höflich sein soll. (Für einige ist es vollkommen ungewöhnlich, Fremde im Fahrstuhl zu grüßen) Ich mache einige Körperübungen, die mit großer Begeisterung ausgeführt werden. Alles in allem bin ziemlich geschafft, als ich nach vier Schulstunden den Unterricht beende und mich von den Schülern verabschiede. Aber ich habe das Gefühl, sie erreicht zu haben, sie stellen Fragen und hören mir zu. 

Die Lehrerin, die während der gesamten Zeit anwesend ist, ist erstaunt, dass ich mein Konzept so schnell anpassen kann und entschuldigt sich dafür, dass die Gruppe so groß ist. In den folgenden zwei Gruppen werden es 9 bzw 6 Schülerinnen und Schüler sein. Und sie warnt mich, in der dritten Gruppe habe ich eine oder sogar mehrere harte Nüsse zu knacken. Es gebe Verhaltensprobleme und große Defizite. Das kann ja heiter werden!

Der zweite Tag findet mich nach einer sehr unruhigen Nacht und mit der Überlegung, was wohl heute auf mich zukommt. Ich beschließe, mit denselben Themen zu arbeiten und es so unbefangen wie möglich angehen zu lassen. Als erstes frage ich die Schüler, ob ich sie duzen darf. Spontane Zustimmung, sie sitzen im Halbkreis und sind neugierig. Auch hier erlebe ich, dass Ziele angestrebt werden - den Abschluss machen, eine Ausbildung bekommen. Für viele ist "Familie haben" sehr wichtig, unabhängig sein und seinen Lebensunterhalt verdienen zu können hat aber oberste Priorität. Welche Biographien mögen wohl dahinter stecken... 

Wieder sind die Körperübungen und eigene Erfahrungen im Bereich der Körpersprache ein Thema, das sie sehr beschäftigt. Sie erleben im Spiel und im geschützten Raum, wie sich Grenzverletzungen anfühlen. Und aus der Gruppe kommt dann die Erkenntnis: "Wenn das für mich doof ist, dann kann ich das nicht mit anderen machen." Das führt uns zu dem Begriff  "Rücksicht", der plötzlich eine andere Bedeutung bekommt. Ich bin sehr berührt, als jemand äußert, Rücksicht sei eine Art Geschenk für andere Menschen. Und ich glaube, ich habe etwas bewegt.

Hier stehe ich vor der Tafel und demonstriere,  was man mit den Händen alles so machen kann. Und das Thema ist an der Tafel angeschrieben.





Der dritte Tag beginnt ebenfalls mit einer kurzen Vorstellungsrunde und  mit dem Einstieg in das Thema "Ziele", wozu brauchen wir sie, wie erreichen wir sie und was ist das eigentlich. Ich habe ein kleine Gruppe von 6 Schülerinnen und Schülern vor mir und merke, dass sie schnell Vertrauen zu mir fassen. Wieder habe ich mein Konzept eigentlich nur, um es nicht zu verfolgen. Durch die Spontaneität dieser Jungen und Mädchen ergeben sich schnell andere Themenbereiche, die ich dennoch immer wieder einbinden muss, um meinen roten Faden beibehalten zu können.

Höflichkeit und rücksichtvoll miteinander umgehen nimmt auch hier einen großen Raum ein. Und im Verlauf der Stunden bringe ich Begriffe wie "zuhören" oder "den anderen ausreden lassen" immer wieder ins Spiel, wenn es mal zu unruhig wird.  Da gibt es mitunter heftige Reaktionen - auch körperlich - wenn der andere vermeintlich nicht so will wie sein Mitschüler das gerne hätte. Mein Hinweis, wir hätten ja heute schon über Höflichkeit gesprochen, wird kommentiert: "Ja, ich weiß Bescheid, zuhören und so." "Und habt ihr das jetzt gerade gemacht?" "Nee." "Was ist denn das Schwere daran?" "Na ja, man will ja, aber dann regt man sich immer so auf und dann geht es nicht." Also reden wir darüber, was man machen kann, wenn man sich so aufegt und dennoch höflich bleiben will. "Man kan dran denken, wie blöd das für einen selbst ist." Ich erlebe, wie diese jungen Menschen, die wahrscheinlich in ihrem bisherigen Leben sozial und vielleicht auch emotional benachteiligt worden sind, sich Gedanken darüber machen, wie und was denn der Nebenmann oder überhaupt ein anderer Mensch empfinden könnte und versuchen, Lösungen zu finden.

Und unvermittelt steht eine Frage im Raum: "Ich würde gern mal wissen, wie das so ist, wenn man gestorben ist." Das gehört ja nun überhaupt nicht zu der heutigen Überschrift, ich merke aber, dass es die jungen Menschen beschäftigt und biete an, kurz vor dem Schluss darüber eine Gesprächsrunde einzulegen.

Da fast alle große Schwierigkeiten haben, sich über einen längeren Zeitraum zu konzentrieren und die Aufmerksamkeit in der dritten Stunde stark nachlässt, mache ich häufiger Pausen und komme nun zurück auf mein Angebot, über das, was nach dem Tod kommt, zu sprechen. Es bleibt natürlich nicht dabei sondern geht schnell zu "Glauben Sie an Geister?" oder dem, was in genau der Sekunde geschieht, in der jemand stirbt bis hin zu Äußerungen, die ahnen lassen, wie sehr der Tod eines nahen Verwandten einen beschäftigt und wie wenig Gelegenheit sie haben, solche Ereignisse zu besprechen und zu verarbeiten.  Es sind so weiche Seelen in den manchmal so rüpelhaften Hüllen. Natürlich werde ich auch gefragt, ob ich an Gott glaube oder was denn meiner Meinung nach nach dem Tode geschieht. Ich offenbare, was ich mir wünsche, wie es sein soll. Und das wird angenommen, sie hören mir zu und finden die Idee, dass die Seele sich ausruhen sollte, durchaus nachvollziehbar.

Diese Gruppe, vor der mich die Lehrer doch gewarnt hatten, scheint mir die zugänglichste und offenste von allen dreien. Sie arbeiten mit, sind bereit, kleine Übungen zu machen und wir haben einfach Spaß. Vielleicht habe ich den richtigen Ton getroffen. Ich weiß, dass ich in diesen paar Stunden nicht viel bewirken kann, Verhaltensauffälligkeiten oder Artikulationsprobleme kann ich sicher nicht beheben. Aber ich weiß, dass ich den Schülerinnen und Schülern das Gefühl vermittelt habe, dass ich sie ernst nehme und mich bemühe, sie zu verstehen. Und Irgendetwas bleibt immer im Geächtnis. Ich glaube, ich habe sie erreicht. Und das macht mich glücklich und zufrieden.












Freitag, 29. Oktober 2010

Große Ereignisse - Teil zwei





Vorher
Es hat ja ein bisschen gedauert aber schließlich haben wir jetzt doch frisch abgedichtete Wohnzimmerfenster bzw. frische Dichtungen auf den äußeren Rahmen. Uns so ganz ohne Komplikationen ging es denn ja auch nicht. Es erforderte mehrere Telefonate mit der Hausverwaltung mit meiner Bitte, der Tischlerfirma meine Handynummer zu geben oder mir die Telefonnummer der Firma. Beidem wurde gern entsprochen. Allerdings mit dem Unterschied, dass man dem Tischler meine Festnetznummer gab und er zweimal auf unseren AB zu Hause gesprochen hat. Einen Tag vor dem vereinbarten, besser gesagt vermuteten Termin haben wir uns dann doch noch gesprochen, der Tischler und ich. Er würde denn am nächsten Tag "gegen Mittag" kommen. Nun musste ja Ralph seinen Terminkalender entsprechend umpolen, aber es hat dann auch ganz gut geklappt. 

Nachher
Und entgegen all meinen Befürchtungen, es gäbe vorerst nur einen Besichtigungstermin, wurde tatsächlich gleich alles erledigt! Und so sieht es jetzt aus - der Unterschied ist ziemlich deutlich. Manche Dinge gehen gut aus, wie schön! Nun kann es meinetwegen regnen.


Donnerstag, 28. Oktober 2010

Elfentreffen - Teil zwei

Nach dem Frühstück packen wir unsere Sauna- und Wellnessutensilien und machen uns auf den Weg zur Therme, wo wir den ganzen Tag verbringen werden.










In dem riesigen Komplex kann man sich wahrhaftig verlaufen und trotz des Andrangs, den wir am Eingang wahrgenommen haben, scheint es nicht so richtig voll zu sein. Wir erleben einen Wohlfühltag nach allen Regeln der Kunst: Körperpeeling, Massagen, leckeres Essen in gemütlicher Atmosphäre und Sauna satt. Dazu und dazwischen reden, lachen, schweigen (jawoll, wir können nämlich auch miteinander schweigen!) und ENTSPANNEN, ach, tut das gut!

Und wer würde es glauben aber Relaxen macht soo hungrig! Also ab ins Hotel, gefönt, geschminkt und schön wie vier junge Morgen (oder Morgens oder Morgende?) auf die Suche nach Essbarem gemacht. Wir werden fündig in einem Kartoffelrestaurant und werden zunächst einmal bedauernd betrachtet, weil wir armen Unwissenden keine Reservierung gemacht haben. Nach ein paar Minuten Diskutierens werden wir jedoch darauf aufmerksam, dass ein Tisch frei wird und der ist Unser. Ein bisschen eng zwar, aber das tut der Fröhlichkeit keinen Abbruch. Das Restaurant ist ganz rustikal eingerichtet, besonders die Lampen, die über den Tischen hängen, aus alten Blecheimern, zerbeulten Töpfen oder kleinen Zinkbadewannen haben es uns angetan. Und, was soll ich sagen, gerade davon gibt's kein Foto. Haben wir vergessen.







Dafür aber Fotos von uns, und das soll's dann auch gewesen sein.

Mit Grappa, Kräuterschnaps, und die anderen weiß ich nicht mehr, lassen wir den Abend ausklingen und fallen in unsere Betten.  Morgen geht's nämlich wieder heimwärts.

Wir frühstücken lang und ausgiebig, um den Abschied so lange wie möglich hinauszuzögern. Und nach dem Bezahlen unserer Rechnungen setzen wir uns noch einmal auf einen Kaffee zusammen. Eigentlich haben wir uns gerad erst warmgelaufen, jetzt könnte es weitergehen. Wir sind alle vier ein wenig wehmütig. Da wir aber beschlossen haben, uns im Sommer in Stockholm zu treffen - damit Lisa es nicht so weit hat - gibt es ja Licht am Ende des Trennungstunnels.


Es war ein wunderbares Wochenende, Buddha würde das auch sagen, oder?

Mittwoch, 27. Oktober 2010

Elfentreffen - Teil eins

Am letzten Wochenende ist es endlich wieder soweit, unser Elfentreffen, lange und minutiös geplant, findet dieses Mal in Bad Oeynhausen statt. Wir (das sind Lisa, Doris, Janina und ich) haben uns entschlossen, eines unserer berühmt-berüchtigten Wellness- und Quasselwochenenden miteinander zu verbringen. Dazu brauchen wir nicht viel, nur ein nettes Hotel und eine schöne große Sauna- und Wellnesseinrichtung. Beides haben wir mit vereinten Kräften gefunden - ich finde es immer wieder großartig, wie wir vier uns ergänzen und es schaffen, in kürzester Zeit übereinstimmend zu planen und zu vollenden.  Dabei sind wir so unterschiedlich in Charakteren, Lebensplanung und Alter - vielleicht hilft uns gerade das dabei, uns schnell und ohne viel Theater auf eine Sache zu verständigen. Außerdem eint uns eines: wir wollen Zeit miteinander verbringen und reden und uns wohl fühlen. Und genau das gelingt immer wieder.

Doris hat uns auf die Bali-Therme in Bad Oeyhausen aufmerksam gemacht, ich habe auf deren Website ein paar Links zu Hotels gefunden, die interessante Packages anbieten und innerhalb von ein paar Tagen hatten wir die Hotelreservierung samt Wellnesspackage und Massagen unterDach und Fach. Jetzt bleibt nur noch die Transportfrage, zumindest, was Lisa angeht. Aber auch das ist schnell geklärt, sie kommt ein paar Tage vorher aus Schweden, wohnt bei mir (und natürlich meinem Liebsten!) und wir fahren am Freitag gemeinsam nach BA (der Einfachheit halber jetzt nur noch die Abkürzung für Bad Oeynhausen).

Ich hole Lisa Mittwoch vom Flughafen ab und es ist wie alle anderen Male vorher: wir umarmen uns lachend und beginnen sofort zu reden. Als hätten wir uns kurz zuvor erst getrennt. Mit den Lebens- und sonstigen Umständen sind wir einigermaßen auf dem Laufenden, und es ist wunderbar, dass sich sofort wieder diese schöne große Vertrautheit einstellt. Das war übrigens auch bei unserer ersten Begegnung so, wir alle fünf - damals waren wir noch eine Handvoll, leider hat sich die fünfte im  Bunde verabschiedet - hatten sofort Zugang zueinander und haben uns auf Anhieb verstanden und gemocht.

Dann beginnt auch für mich das Wochenende schon am Mittwoch. Der und der kommende Tag sind angefüllt mit Reden, Lachen, Friseur (ich), Shoppen (Lisa).  Und am Freitag am späten Vormittag machen wir uns auf den Weg nach BA - immerhin schlappe 404 km, das Wetter ist anfangs durchwachsen, so nach und nach fahren wir aber in den schönsten Sonnenschein hinein. Die Fahrt vergeht wie im Flug, wir reden, hören Musik, singen alte Beatlessongs und freuen uns wie Bolle, unser Elfenquartett bald wieder vollständig zu haben.

Das Hotel gefällt uns, der Service ist sehr gut, die Zimmer groß und gemütlich, und wir machen einen ersten Erkundungsspaziergang zur Therme, die von außen einen gar nicht so großen Eindruck macht, aber davon später.


Wir klären unsere Termine, die sich ein wenig verschoben haben und marschieren zurück zum Hotel, ein Fußweg von knapp 10 Minuten. Als wir zurückkommen, sind Janina und Doris noch nicht eingetroffen und wir gehen erst mal Kaffeetrinken in die "Alte Kaffeestube" ein sehr gemütliches und mit lauter schönen alten Möbeln und alten Dingen des täglichen Lebens eingerichtetes Café. So etwa aus den 20er und 30er Jahren das vorigen Jahrhunderts. Bilder, Kaffeekannen, ein alter Ofen, Puppen und vieles mehr. Lisa macht ganz viele Fotos.


Wie in Omas guter Stube
Sogar ein "Verlobungssofa" gibt's hier!
Und dann sind auch die beiden anderen endlich da. Großes Begrüßungsgelächter und Umarmungen und wir freuen uns, dass wir uns sehen. Für Nichteingeweihte: wir treffen uns nach Möglichkeit zweimal im Jahr, im Sommer und im Herbst. Und nachdem unser Sommertreffen in Schweden für einige von ins Wasser gefallen war, ist dieses das erste seit dem letzten November.  Unter großem Getöse entscheiden wir, zunächst einmal den Welcome Drink des Hotels auszuprobieren und das im angeschlossenen Restaurant. Und der (der Drink) ist blau! Wenn wir so weitermachen, wir bald auch...


Auf die blauen Zungen hab ich bewusst verzichtet
Obwohl wir uns fast täglich im Chat treffen und uns gegenseitig an unserem Leben teilhaben lassen, gibt es  noch jede Menge zu erzählen. Nicht alles kann man schriftlich erledigen. Lisa und ich skypen ab und an, und dennoch sind die Redevorräte nahezu unerschöpflich. Hier beweist sich die These vieler Kommunikationwissenschaftler: Frauen wollen reden, Männer wollen ihre Ruhe haben. Und genau das erstere tun wir mit großem Vergnügen.

Da wir ja auch noch irgendetwas - und nicht nur irgendetwas - essen wollen, haben Lisa und ich vorher schon mal in der näheren Umgebung des Hotels herumgeschaut und ein Restaurant gefunden, das Pfifferlinge auf der Karte hat. Es stellt sich heraus, dass wir alle gerne Pfifferlinge mögen, also los.  Unglücklicherweise zieht es an dem Tisch, an dem wir sitzen, wie Hechtsuppe und wir fangen gerade an zu losen, wer von uns jetzt nach einem anderen Tisch schaut. Da wird der Nebentisch frei und nach kurzer Rücksprache mit der Bedienung - der nette junge Mann hat bereits unsere Bestellung aufgenommen und wir haben auch schon unsere Getränke vor uns stehen - ziehen wir um. Doris wedelt etwas ausufernd mit der Speisekarte und wirft dabei mein Glas um. Der graue Burgunder verteilt sich auf dem Tisch, wird aber von Janina professionell mit einem halben Dutzend rosafarbenen Papierservietten aufgetupft und auf den Fleck in der Mitte vom Tischtuch kommt eine weitere, darauf die Blumenvase. Der Kellner bringt unser Essen und will vorher doch noch das Tischtuch auswechseln. "Nicht nötig, wir haben alles im Griff." Ein etwas unsicheres Lächeln, dann serviert er unsere Gerichte. Er scheint auch recht schlagfertig zu sein, denn beim Bezahlen der Rechnung - natürlich durch 4 bzw. mit Ansagen der jeweiligen Speisen erwidert er auf Doris´: "Und ich bezahle den zweiten Weißwein für die Dame." "Ach, Sie waren das!?"

Der Abend vergeht unter Erzählen, nachdenklichen Gesprächen und Gelächter, alles ist dabei - ein Highlight ist Doris' Geschichte vom gefangenen Gnom (wirklich nur für Dabeigewesene!!) -  und schnell sind wir die letzten Gäste im Restaurant . Es wird nie geklärt werden, ob der Laden tatschächlich so früh (22:00) schließt, schließlich ist das hier ein Kurort, oder ob die anderen Gäste unter schweigendem Protest das Lokal verlassen und niemand sich mehr hereintraut... Aber wir sind schließlich auch müde, haben lange Fahrten hinter uns und morgen ist ein anstrengender Tag: Massagen, Peelings, Sauna und Relaxen und das schon ab 11:00 Uhr.

Fotos folgen, sobald freigegeben und der 2. Teil kommt auch.

Montag, 18. Oktober 2010

Dedication! Dedication! Dedication!





Das stand auf der Einladung, die wir bekommen haben. Der jüngste Sohn eines Kunden von Ralph sollte getauft werden. Die Familie kommt aus Nigeria, und die Taufe sollte in der "Jesus Miracle Harvest Church" stattfinden. 

Nun muss man wissen, dass die Kirchen, denen viele Afrikaner angehören, sich als christlich definieren, nicht aber als katholisch oder evangelisch. Und das Haus ist auch keine Kirche im architektonischen Sinne so mit Turm, Glocke und sehr weihevoll, sondern eher etwas profanes. Hier handelt es sich um eine ziemlich große Halle. Die ist allerdings mit viel Liebe und Sorgfalt in eine Kirche verwandelt worden, in der locker ca 300 Leute Platz haben. Und bis auf den letzten Platz besetzt. So mancher Pastor oder Pfarrer würde vor Neid erblassen. Hohe Bogenfenster mit Bleiverglasung - sehr schöne farbige schlichte Motive - der Altar steht  auf einem Podest, drei Stufen hoch. An der Stirnwand hängt ein schlichtes großes Holzkreuz. Neben dem Altar stehen die Instrumente für die Band - ja richtig gelesen, die Band - Schlagzeug, Bongos, Keyboard, Trompete, Gitarre und vier Mikros für den Chor.

Wir setzen uns erst mal ein bisschen weiter hinten hin, ich fremdele ein bisschen, denn es sind fast nur Farbige zu sehen - und wie farbig! Für den sonntäglichen Kirchgang putzt man sich heraus. Hier werden im Sinne des Wortes Sonntagskleider getragen: Die meisten Männer tragen ihre Tracht, hellblau, gelb oder rot, Hosen und Hemd aus dem gleichen Stoff. Und sie tragen es mít großer Würde und sehen sehr schön darin aus. Viele Frauen tragen elegante Kostüme oder Hosenanzüge, einige auch lange Kleider mit kompliziert gewickelten Schleifen und auf dem Kopf große Turbane, die manchmal ein bisschen an Schmetterlingsflügel erinnern. Nur gut, dass wir uns auch ein bisschen schick gemacht haben. 

Tja, und dann denken wir immer, Osondu müsste doch jetzt mal kommen, wenn schon die Gäste alle da sind , schließlich ist ja sein kleiner Sohn die Hauptperson. Aber der Gottesdienst geht los ohne ihn. 

Und wie es losgeht! Es wird gesungen, geklatscht, gepredigt (alles auf englisch mit dem deutschen Text auf der Leinwand) auch die Liedertexte wurden deutsch und englisch auf der Leinwand gezeigt. Technisch sind die echt auf der Höhe. Im übrigen ist das die einzige Kirche, dich kenne, in der ein Plasmabildschirm in den Altar integriert ist. Irgendwie sehr pragmatisch. Und es wird von Anfang bis Ende alles gefilmt,und fotografiert. Die Predigten sind manchmal sehr launig, manchmal ernst aber immer leidenschaftlich.

Der Chor besteht hier aus 8 Frauen und Männern und einer stimmgewaltigen Vorsängerin. Sie liefert eine tolle Show und hat diesen sich steigenrnden Dialog mit dem Publikum - hier der Gemeinde - das begeistert reagiert. Viele Amens und Hallelujahs,  sehr schmissige Gospels, die es unmöglich machen still sitzen zu bleiben und das ist auch ok, denn alle reißt es von den Sitzen. Sie wechseln sich ab mit langsamen melodiösen Chorälen mit eingängigen Melodien, die zum Mitsingen einladen, auch wenn man die Melodie noch nie gehört hat.

Mit dem Kind auf dem Arm tanzt es sich auch ganz gut. Und es ist auch völlig unspektakulär, die Kinder während des Gottesdienstes zu füttern.




Hier bekommt Ihr einen hörbaren 
eindruck von der Lebendigkeit, die auf dieser Feier herrscht.


Das sind die 5 Kinder der Familie und Florian ist das Taufbaby


So nach zwei Stunden marschiert dann die Tauffamilie ein, es ist so ein bisschen wie Einzug der Gladiatoren, langsam und würdevoll schreiten sie zur ersten Reihe. Es gibt noch eine kurze Begrüßungspredigt - übrigens predigt da jeder, der sich dazu berufen fühlt, es gibt allerdings auch einen Pastor - und dann wird gratuliert. Alle, buchstäblich alle stehen auf, formieren sich in einer langen Schlange und gratulieren und segnen das Kind und die Familie. Als ehemals evangelische Person bin ich ja Gottesdienste von maximal einer Stunde gewohnt, mit Singen, Predigt, beten, singen und fertig. Von wegen! Jetzt geht die Party richtig los! Der Chor formiert sich wieder, die Band legt los, und die ganze Gemeinde rockt und swingt und singt. So eine tolle Stimmung, so voller Freude und liebevollem Miteinander, es berührt mich und ich singe laut mit und tanze. Es kostet ein bisschen Überwindung aber schließlich schaut da keiner so genau hin, alle freuen sich, wenn man mitmacht.

Mit singen, tanzen und beten dauert alles bis nachmittags drei Uhr. Dann gibt es eine große Segnung und die Gemeinde begibt sich in den angrenzenden Raum, der mindestens so groß ist wie der, wo der Gottesdienst stattgefunden hat. Dort stehen lange Tisch und Bänke, und aus der Küche, die auch dazu gehört, werden Speisen und Getränke auf die Tische gebracht, die sich bald biegen. Es gibt die fabelhaftesten fremdartigen Gerichte, an dieser Stelle seien hartgekochte Eier in süßem Hefeteig in Öl ausgebacken erwähnt. Nicht den Mund verziehen, erst kosten! Und es schmeckt richtig gut. Die Süße vom Teig hat sich mit dem Ei verbunden. Und nach einem Ding ist man schon mal pappsatt, kann aber nicht aufhören, weil es noch warmen Hirsesalat mit riesigen Miesmuscheln gibt oder getrocknetes und sehr scharfes Rindfleich mit Gemüse am Spieß. Es wird laut geredet, gelacht, gerufen und sich immer wieder umarmt, die Stimmung ist überschäumend fröhlich.


So gegen vier verabschieden wir uns von unserem Gastgeber und ich bin sicher, dass die Party noch bis zum Abend weitergeht

Samstag, 16. Oktober 2010

Große Ereignisse...

...werfen ihre Schatten voraus - ich bin noch nicht sicher, ob sich die Schatten irgendwann in Licht wandeln. Es ist nämlich so: unser Wohnzimmerfenster lässt mehr als Licht und Luft rein, zumindest dann, wenn es geschlossen ist. Beim letzten starken Regenguss stand die Fensterbank unter Wasser. Nachdem ich das Fenster mehrfach geöffnet, nach der Dichtung gesehen und wieder geschlossen hatte, habe ich festgestellt, dass die Silikondichtung am äußeren Rahmen brüchig geworden ist. Nach fast 20 Jahren wohl ein nachvollziehbarer Prozess. 

Der nächste Schritt war ein Telefonat mit unserer Hausverwaltung, da sitzt nämlich jemand, der nur für unsere Wohnanlage zuständig ist. Dieser Mensch jedoch war "gerade in einer Besprechung, aber ich sage ihm, dass er sich bei Ihnen meldet." Und genau hier beginnt meine dunkle Ahnung, der Rückruf erfolgte erst nach 3 Tagen. Wortreiche Entschuldigungen und die Ankündigung, der Tischler werde mich kontaktieren, um einen Besichtigungstermin zu vereinbaren. Auf diesen Kontakt warten wir jetzt seit einer Woche, und angeblich ist er am kommenden Freitag hier in derAnlage. Nun hab ich mich bereits nach seiner Telefonnummer erkundigt, den maßgeblichen Herrn aber nicht erreicht - da dauert eine Besprechung wohl auch noch an - und ich werde mich am Montag wohl in die nächste Telefonorgie stürzen, um zumindest zu erfahren, ob der Tischler denn überhaupt vorbeischauen wird. 

Das Ganze dauert jetzt bereits 3 Wochen, es regnet, auf der Fensterbank liegt ein Schwammtuch und wir hoffen inständig, dass es nur dann regnet, wenn wir zu Hause sind, um die eindringenden Wassermassen zu bändigen. 

Das Spannende ist ja auch noch, was geschieht, wenn der Tischler den Schaden besichtigt hat, der wird ja dann nicht sofort tätig. Dann kann es passieren, dass er alles in Augenschein nimmt, schicksalsträchtig brummt oder sonst irgendwelche Laute von sich gibt, ein Notizbuch zückt, etwas aufschreibt und sagt: "Spätestens übermorgen melde ich mich, um einen Termin zu vereinbaren." Dann wird Ralph ihn hoffentlich  auf den Boden werfen, ihm einen Fuß auf die Brust stellen und ihn nicht eher loslassen, als bis er einen festen Arbeitstermin hat. Vielleicht sollten wir mit der Bezahlung der Rechnung ähnlich verfahren: "Spätestens im nächsten Monat rufe ich Sie an, um einen Gesprächstermin zu vereinbaren, in dem wir darüber reden, ob, wann und wieviel wir zahlen." Ach ja, ich wär ja schon froh, wenn es erst einmal eine Leistung gäbe, die wir bezahlen müssen!

Aber, um dern heutigen Eintrag ein positives Ende zu geben, auf meinen heutigen Morgenlauf hab ich das hier gesehen:

Und das ist einfach schön!



Donnerstag, 14. Oktober 2010

Litsa

Marshal im Florins, der Cafébar



Litsa und Marshal sind wieder in unserem Leben! Wir haben die beiden 1986 auf Naxos kennengelernt und sind Freunde geworden. Sie lebten damals in New York und auf  Naxos, wo sie eine kleine Bar betrieben.Wir haben mehrfach unseren Urlaub dort verbracht und hatten eine großartige Zeit miteinander.

Wir haben manchmal bis tief in die Nacht in dem kleinen Hofgarten gesessen, der zu ihrer Wohnung gehörte, haben geredet, gegessen und getrunken, und eine meiner intensivsten Erinnerung ist der Blick durch Marshals Fernglas in den ägeischen Sternenhimmel. Ich hatte so etwas nie zuvor gesehen, und die Nähe der Sterne ließ mich schwindelig werden. Bis heute denke ich jedesmal, wenn ich einen schönen klaren Sternenhimmel sehe, an diesen Moment.

Litsa hat uns 1987 oder 88 (???) in Berlin besucht, und danach gab es immer wieder Postkarten oder Briefe - war ja noch nichts mit E-Mail und so. Aber irgendwann bekamen wir auf unsere Weihnachtspost keine Antwort mehr. Das letzte, was wir wussten war, dass sie einen Jungen namens Alexander hatten und einen Hund, den sie Slug (Nacktschnecke) nannten, weil er so langsam war.  Und nachdem mir mein Adressenverzeichnis aus meiner Handtasche gestohlen worden war, konnten wir nicht einmal mehr schreiben oder telefonieren.


Von Hans (links vorne) gekochte Käsespätzle, dritter von links ist Ralph, dann Marshal und Litsa, vorne rechts ich. Die Käsepätzle veranlassten Despina, rechts von mir, zu einem Heiratsantrag an Hans (Er hat ihn nicht angenommen...). 


Wir hatten sie nie vergessen, die Erinnerung an sie war mit Bildern aus unserem Urlaub immer lebendig. Darüberhinaus hatte Litsa und mich ein tiefes Einverständnis verbunden. Bei ihrem Besuch in Berlin haben wir die beiden Nächte redend auf dem Sofa verbracht, mit heißer Milch mit Honig, deren Wirkung durch unsere lebhaften Gespräche völlig außer Kraft gesetzt war. Wann immer die Rede auf Naxos oder Griechenland kam, fragten Ralph und ich uns, was wohl aus den dreien geworden sein mochte.

Im letzten Frühjahr bekam ich eine E-Mail mit der Frage, ob ich denn ich sei. Wer beschreibt meine Freude, als ich sah, um wen es sich da handelte! Litsa hatte mich über meine Homepage ausfindig gemacht. Sie hatte jahrelang nach uns gesucht, weil ihre Post immer wieder zurückkam. (Merkwürdig, weil unsere Adresse sich in 23 Jahren nicht geändert hatte, wir sind ja erst vor 2 1/2 Jahren umgezogen.) Wie auch immer, ich war und bin glücklich darüber, dass wir wieder Kontakt haben. Seitdem schreiben wir, gucken unsere facebookporträts an und skypen, wenn die Zeit passt. Durch den Zeitunterschied - sie leben jetzt mit mittlerweile 3 Kindern in Denver/Colorado - kommt das nicht so oft vor.


Und jetzt kommt das Sahnehäubchen! Litsa wird im November in der Nähe von Berlin sein! Und wir werden uns nach 23 Jahren wiedersehen, ich bin so aufgeregt und freue mich wie ein Schrat. An dieser Stelle soll berichtet werden. Wir haben uns sooo viel zu erzählen!

Dienstag, 12. Oktober 2010

Nebel

Heute Morgen hab ich, als ich aus dem Fenster sah, keine 20 m weit sehen können - und so gegen 10:00, als ich mich auf den Weg zu Ralph ins Büro aufmachte, mit einem kleinen Schlenker zu unserer Steuerberaterin, die ein paar Unterlagen brauchte, hatte sich der Nebel ein wenig gelichtet. Dachte ich. Denn als ich die Mehrower Landstraße hinunterfuhr, war ich plötzlich wie allein auf der Welt.

Das, was ich sehen konnte, war allerdings so malerisch, dass ich ganz spontan angehalten habe und auf den Auslöser meiner Handykamera drückte.  Und das ist dabei herausgekommen:


Diese Straße führt zum Mond oder nirgendwohin


Dann bin ich weitergeschlichen, hab mich kurz über einen Wahnsinnigen geärgert, der mich unbedingt über holen musste - möge sein Navi zerspringen! -  und habe, als ich nach dem Besuch bei unserer Steuerberaterin wieder ins Auto stieg, erst gemerkt, dass ich den halben Acker an den Schuhen hatte. Und das, wo Ralph ein paar Tage vorher meinen guten Rudolf (Eingeweihte wissen, dass es sich bei Rudolf um mein kleines Auto handelt) von innen hatte säubern lassen!

Dienstag, 5. Oktober 2010

Besser spät als nie

Auf vielfachen Wunsch einer einzelnen Dame - das ist extra für Dich, Susi - stell ich ziemlich verspätet unsere Urlaubsfotos ein.
























Montag, 4. Oktober 2010

Bauhaus Dessau

In diesen Villen mit 230 qm (!!!) Wohnfläche haben in den Jahren 1926 - 1928/30 Kandinsky, Klee, Schlemmer, Mucher, Nagy und Gropius gewohnt. Und das, während Gropius Häuser für die kleinen Leute mit einer wohnfläche von durchschnittlich 60 qm entworfen hat.

Und sie haben sich ein schönes Fleckchen mitten Dessau ausgesucht - Nina Kandinsky hat das so sehr gefallen, das sie den damaligen Oberbürgermeister becirct, der ursprünglich einen anderen Platz für die Meisterhäuser vorgesehen hatte. Die Zimmer sind allerdings extrem klein, außer dem Atelier (das Fenster rechts) mit 30 qm haben alle durchschnittlich 8 - 10 qm. Aber das Licht in diesen Räumen...!! Und die Farben! Leider darf man drin nicht fotografieren.


Ich würd da auch wohl wohnen wollen.

Das ist das Bauhausarchiv, in dem damals und heute gearbeitet wird - für 1926 auch heute noch ganz schön modern.

Das Stahlhaus, eine Konstruktion aus Wänden, die aus Torfschichten und Stahl bestehen. Eine Klingel braucht man nicht, wo immer man klopft, hallt es durch's ganze Haus. Hat so ein bisschen Containercharakter.

Eines der im Original erhaltenen Gropiushäuser in der Törtensiedlung, charakteristisch die Fensterrahmen aus Stahl, ohne Dichtung und mit Einfachverglasung - kann man sich gut im Winter vorstellen, brrrr!

So sehen die meisten Häuser da heute aus, alles Eigentum und demgemäß ziemlich verändert aber immer noch sehr ästhetisch.

Zum Schluss noch ein Blick auf die Elbe, ganz schön hoch, das Wasser.

Und nach einer Tasse Kaffee ging's wieder nach Hause.