Sonntag, 22. November 2009

Schnipp-schnapp, Haare ab!

Ja, gestern war ich beim Friseur. Das übliche oder wie gehabt oder mach wie du denkst, mehr brauch ich der Friseurin meines Vertrauens nicht zu sagen. Sie macht es meistens richtig, Farbe bis auf das letzte Mal ok und der Schnitt sowieso. Ida ist eine wahre Künstlerin. Ich brauche nur meinen Fön zu nehmen und alles nach vorne zu pusten, dann alles nach hinten schütteln, ein paar tropfen Gel und fertig. Das nenn ich eine perfekte Frisur.

So hat sie denn gestern auch alles so gemacht, wie es für mich gut und richtig ist. Und dann wurde ich Zeuge eines Vorfalles, bei dem ich zumindest eine der Beteiligten am liebsten so lange geschüttelt hätte, bis sie ein anderes Verhalten an den Tag gelegt hätte.

Eine Mutter betrat mit ihrer ca 8- oder 9jährigen Tochter den Laden. Ich sah schon in den ersten Sekunden, dass die Kleine alles andere lieber wollte, als jetzt sich die Haare schneiden zu lassen. Sie hatte Tränen in den Augen, versuchte ihre Mutter wieder nach draußen zu drängen, alles in allem eine sehr deutliche Körpersprache von Abwehr und Abneigung. Meiner Ansicht nach wäre ein Schnitt nicht unbedingt vonnöten gewesen, sie hatte etwa kinnlanges blondes, leicht gelocktes Haar, sehr niedlich. Aber Mütter haben ja oft andere Vorstellungen von "schicken Frisuren" als ihre Kinder. Muttern war denn auch die eher zackig-zickige Ausführung, ca 1,60 groß, Haare raspelkurz - zugegebenermaßen mit einer extrem schönen Kopfform - und so der "Keine Widerrede-Typ". Irgendwie haben sie die Kleine denn auch auf den Friseurstuhl bekommen und eine junge Frau schnitt an ihren Haaren herum. Das bedauernswerte Kind versuchte alles, um sich bemerkbar zu machen, die Friseurin unterhielt sich ständig mit der Mutter, die ihr Anweisungen gab, wie die Haare zu schneiden seien. Allein das halte ich für verwerflich, auch kleine Mädchen in dem Alter haben doch genaue Vorstellungen, wie sie aussehen wollen, und man kann doch nicht so einfach darüber hinweggehen.

Das hat mich schon mal sehr geärgert, aber was dann nach dem Fönen passierte, hat "dem Fass die Krone aufgesetzt": Die Kleine begann, bitterlich und sehr laut zu weinen, weil sie fand, dass der Pony zu kurz war. Laute Schluchzer erfüllten den Laden und in Windeseile standen der Besitzer und ein weiterer Mitarbeiter um das Kind herum. Aber anstatt dem Kind zunächst einmal zuzuhören oder mitfühlend zu sein in seinem Kummer, tönten 4 Erwachsene lauthals: "Aber wieso denn? Der Pony ist doch gar nicht zu kurz! Guck doch mal, wie gut das alles passt!" Als ob dadurch der Pony länger würde oder das Mädchen ihn plötzlich richtig finden würde!  Sie hörte denn auch gar nicht darauf und weinte nur noch heftiger, was die Erwachsenen, speziell die Mutter gar nicht verstehen konnten. Auch sie sagte immer wieder, das sei gar nicht schlimm, das wachse ja nach und was einem sonst noch so an Schwachsinn einfallen kann. Das war für mich ein Supergau an Gefühllosigkeit. Natürlich war es nicht mehr möglich, da noch etwas zu ändern, und es war eigentlich auch komplett gleichgültig, ob der Pony nun wirklich zu kurz war oder nicht, die Kleine hat es so empfunden, Punkt. Und das einzige, was sie hätte trösten können - wenn überhaupt - oder ihr das Desaster weniger schlimm hätte erscheinen lassen, hätte nur ein "ja, ich kann sehen, dass du den Pony zu kurz findest" oder etwas ähnlich sein müssen. Eine winzige Bestätigung ihres Empfindens hätte gereicht, dass sie sich besser gefühlt und vor allem verstanden gefühlt hätte. Statt dessen hat man sie mit vereinten Kräften auch noch ins Unrecht gesetzt und so dafür gesorgt, dass zu dem Kummer über den zu kurzen Pony auch noch der Kummer des Nichtverstandenwerdens kam. Vermutlich wiegt letzterer ungleich schwerer und ist nachhaltiger. Der Pony wächst tatsächlich wieder nach, die Situtation wird sie so schnell nicht vergessen.

Das war für mich ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie Menschen immer sofort entweder zu trösten versuchen oder den Kummer wegreden wollen anstatt zunächst einmal empathisch mit dem "Leidenden" zu sein. Ich werde diese Begebenheit in meinem Kurs morgen als Beispiel für (nicht)-Spiegeln und Führen anführen.

Die Kleine verließ den Friseurladen mit einer tief ins Gesicht gezogenen Mütze, die sie vermutlich in den nächsten 4 Wochen nicht mehr absetzen wird, zumindest nicht, wenn sie ihr Zimmer verlässt und mit einer Mutter, die hochzufrieden war, dass sie "das Kind zum Friseur gekriegt" hatte.

1 Kommentar:

  1. Hallo - gerade komme ich dazu Deinen neuesten Eintrag zu lesen und mir kommen die Tränen. Wie bereits erzählt, habe ich genau solche Situationen in meiner Kindheit erlebt. Meine Trauer, meine Wut und meine Ängste wurden einfach nicht "respektiert" oder wahrgenommen. Wenn ich sauer war, wurde ich ausgelacht!!!! Bis heute habe ich in manchen Situationen noch das Gefühl "fühle ich jetzt wirklich so oder ist das alles nur von mir geschauspielert".
    Diese Mißachtung meiner Gefühle ist sicherlich auch ein Grund für meine GefühlsAUSBRÜCHE, die ich dann einfach nicht unter Kontrolle haben will. Einfach mal Gefühle rauszuschreien und so stinkesauer zu sein, wie ich will - im Nachhinein ein befriedigendes Gefühl jedoch bei gewissen Situationen oft unangemessen. Ich bin froh, dass Ralf mich schon so gut kennt und mir wegen solcher Ausbrüche nicht sauer ist.
    Die arme Kleine. Als Aussenstehender hält man - solange keine physische Gewalt angewendet wird - den Mund. Ich kann auch nur Mitleid mit dem Kind haben. Sicherlich ist das nur EIN Bespiel für die Erziehungsmethode der Mutter gewesen.
    Eltern müssten einen "KinderbekommenunderziehenFührerschein" machen, bevor sie Nachkommen in die Welt setzen!!!!

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